Ein Zwischenruf des niedersächsischen Landesbeirats für Jugendarbeit
Kooperationsstrukturen zwischen Kinder- und Jugendarbeit und Schulen existieren, seit es die unterschiedlichen Formen der Kinder- und Jugendarbeit – von der Jugendverbandsarbeit bis zur kommunalen Kinder- und Jugendpflege – gibt.
Für die Kinder- und Jugendarbeit war und ist die Schule ein wichtiger Partner in jedem Sozialraum und in jeder Gebietskörperschaft. Zudem wurde in den unterschiedlichen Zeiten der Schulentwicklung – so z.B. auch beim Ausbau der Gesamtschulen in den 1970er Jahren – das Verhältnis von Kinder- und Jugendarbeit und Schule neu bestimmt. Entsprechend ist es auch keine neue Herausforderung, dass mit den Entwicklungen hin zur Ganztagsschule die Kooperationen von Kinder- und Jugendarbeit und Schule neu gestaltet werden und eine entsprechende Verhältnisbestimmung gesucht wird. Dies ist aus der Perspektive der Kinder- und Jugendarbeit auch gar nicht anders möglich, da sich mit den Entwicklungen zur Ganztagsschule auch die Alltagswelten von Kindern und Jugendlichen verändern.
Gleichzeitig ist aber in der gegenwärtigen Diskussion eine Verengung zu beobachten, die aus Sicht des Landesbeirats für Jugendarbeit zu öffnen ist. Es werden zu wenig die Veränderungen des Jugendalters und die neueren Entwicklungen in der Kinder- und Jugendpolitik berücksichtigt. Es ist eine Stärkung der kinder- und jugendpolitischen Orientierung in dieser Entwicklung notwendig.
Gegenwärtig fokussieren sich die Diskussionen vor allem auf einen verlässlichen Ausbau der Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter. Es geht darum, dass Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren verlässliche Strukturen der Nachmittagsbetreuung vorfinden. Dies ist eine wichtige Aufgabe, da über viele Jahre die Gruppe der Sechs- bis Zwölfjährigen in der Entwicklung von Freizeitangeboten und in der Schul- und Stadtentwicklung zu wenig Berücksichtigung gefunden hat. Dennoch wird auch in diesem Kontext nur sekundär über die Rechte und Bedarfe der Kinder in dieser Altersgruppe gesprochen, sondern im Mittelpunkt steht die Verlässlichkeit des Betreuungsangebots für die Eltern. Letztlich ist diese Entwicklung eine Verlängerung der Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der dynamischen Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung.
Gleichzeitig konnte die Kinder- und Jugendarbeit mit einigen Modellprojekten in diesem Rahmen wichtige pädagogische Akzente setzen, ohne dass die organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Herausforderungen der Kooperation von Ganztagsschule und Kinder- und Jugendarbeit bisher ausreichend geklärt sind. Hier sind Landesprogramme und rechtliche Klärungen notwendig, um zu einer flächendeckenden fachlich angemessenen Angebotsstruktur von Kinder- und Jugendarbeit in Kooperation mit der Ganztagsschule und/oder kommunalen Bildungslandschaften zu kommen. Die Kinder- und Jugendarbeit für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren ist dabei systematisch einzubeziehen, ohne zu übersehen, dass es auch jenseits der Schule weiterhin einer eigenständigen Kinder- und Jugendarbeit für diese Kinder bedarf.
Noch größer erscheint allerdings das Defizit, wenn man die Jugendlichen im klassischen Jugendalter – also zwischen dem dreizehnten und achtzehnten Lebensjahr – und im jungen Volljährigen-Alter betrachtet. Der 15. Kinder- und Jugendbericht hat deutlich darauf hingewiesen, dass diese Altersgruppe in den bisherigen Diskussionen gar nicht auftaucht. Jugendliche sehen es als eine Form ihrer Verselbstständigung an, dass, soweit ihre Freizeitgestaltung nicht mehr durch die Eltern strukturiert wird, sie diese weiterhin jenseits der Schule gestalten. Darüber hinaus sind in den außerunterrichtlichen Angeboten an Ganztagsschulen kaum solche für Jugendliche zu finden. Der 15. Kinder- und Jugendbericht macht deutlich, dass für die Kooperation von Ganztagsschule und Jugendarbeit ein Jugendkonzept fehlt. Zudem ist in die gegenwärtige Diskussion um die Kooperation von Kinder- und Jugendarbeit und Schule das Berufsbildungswesen noch gar nicht einbezogen.
Letztlich lässt sich festhalten, dass die Kinder- und Jugendarbeit für Jugendliche im Kontext der Ganztagsschulentwicklung keine Berücksichtigung findet. Gleichzeitig wird aber in der Jugendpolitik seit einigen Jahren darauf hingewiesen, dass das Jugend- und junge Erwachsenenalter neu in den Horizont der Kommunal, Landes- und Bundespolitik zu rücken ist. Diese Entwicklung ist in der Entwicklung der Kooperationsstrukturen von Kinder- und Jugendarbeit, Schule und kommunalen Bildungslandschaften noch nicht angekommen.
So scheint auch die Verhältnisbestimmung zwischen Kinder- und Jugendarbeit, kommunalen Bildungslandschaften und Schule in Niedersachsen gegenwärtig im Sog der Vereinbarkeitsperspektiven von Familie und Beruf sowie dem Ausbau der Nachmittagsbetreuung für Kinder zu stehen. Es wird kaum differenziert betrachtet, ob durch diesen Sog auch öffentliche Ressourcen aus der Jugendarbeit in die Arbeit mit Kindern verlagert werden und so die Jugendarbeit und -politik für Jugendliche – obwohl mehr Aufmerksamkeit für sich gefordert wird – am Ende indirekt reduziert wird. Insgesamt ist die Diskussion stärker aus der Perspektive der Kinder- und Jugendpolitik zu führen.
Hannover im März 2019