„Beteiligung von jungen Menschen – aber richtig!”
Der Landesbeirat für Jugendarbeit begrüßt die Bestrebungen des Landes Niedersachsen für mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ausdrücklich.
Hintergrund:
Mit dem Beschluss „Partizipation von Jugendlichen in Niedersachsen fördern und ausbauen“ (Drs. 17/2972) hat der Landtag die Bedeutung der Partizipation von Jugendlichen an politischen Entscheidungsprozessen unterstrichen. In dem Beschluss heißt es u.a.: „Der Landtag fordert die Landesregierung darüber hinaus auf, die Kommunen bei der Umsetzung und Verstetigung von Beteiligungsmodellen wie beispielsweise Jugendbeiräten und Jugendforen unter Einbeziehung der freien Träger der Jugendarbeit (z.B. kommunale Jugendringe) stärker als bisher zu unterstützen und zu beraten. Ziel muss eine Verbesserung der Beteiligung Jugendlicher sein.”
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist eines der Grundprinzipien in der Jugendarbeit. So lernen junge Menschen, sich selber für ihre Interessen stark zu machen und die Wünsche anderer Jugendlicher zu akzeptieren und zu tolerieren. Und sie lernen, dass es sich lohnt, sich für etwas einzusetzen und zu engagieren: Demokratie wird anfassbar! Gerade auch in ihrer Lebenswelt vor Ort.
Beteiligungsformen
Für eine gelungene Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bedarf es bestimmter Voraussetzungen und adäquater Modelle für die jeweiligen Anliegen, die mit Beteiligungsprozessen verknüpft werden. Diese Modelle können verschiedene praktische Umsetzungsformen von Jugendbeteiligung beinhalten, wie z.B. „parlamentarisch“, „offen”, „projektbezogen” oder auch „verwaltungsorientiert”.
In der Analyse verschiedener Beteiligungsformen ist festzustellen, dass hier unterschiedliche Ausprägungen verfasster Beteiligungsgremien – folgt man dem verbreiteten Stufenmodell der Beteiligung (vgl. u.a. Roger Hart 1992) – auch deutliche Unterschiede in Bezug auf den Beteiligungsgrad junger Menschen aufweisen – von Alibi-Teilnahme bis hin zu Selbstbestimmung oder -verwaltung.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass mit der Initiierung von Beteiligungselementen aus Sicht des Landesbeirats für Jugendarbeit auch immer eine Überprüfung und ein Einbezug bestehender Beteiligungsstrukturen einhergehen muss.
Kriterien für eine wirksame Jugendbeteiligung
An dieser Analyse zeigt sich, dass eine niedersachsenweit lebensweltorientierte und jugendgerechte Praxis der (kommunalen) Jugendbeteiligung nicht auf der Basis von Patentlösungen und Worthülsen funktionieren kann, sondern immer dynamisch und anlassbezogen unter Einbezug der (örtlich) gegebenen Strukturen und Angebote für junge Menschen angelegt sein muss.
Auf den verschiedenen politischen Ebenen – so auch auf kommunaler Ebene – gibt es bereits zahlreiche gesetzliche Grundlagen und Formen der Jugendbeteiligung, doch in der Umsetzung müssen Qualitätskriterien und Rahmenbedingungen für Jugendbeteiligung berücksichtigt werden. Nur wenn diese Kriterien durch die Verantwortlichen ernsthaft erfüllt werden, können Beteiligungsprozesse erfolgreich und wirksam gestaltet werden. Aus Sicht des Landesbeirats für Jugendarbeit sind insbesondere die folgenden Kriterien elementar für erfolgreiche Jugendbeteiligung:
- Transparenz von Zielen und Entscheidungen
- Klarheit über Entscheidungsspielräume
- gleichberechtigte Kommunikation
- Themensetzung durch junge Menschen
- zielgruppenorientierte Methoden
- ausreichend Ressourcen zur Stärkung der Selbstorganisation
- zeitnahe Umsetzung der Ergebnisse
- Aufbau von Netzwerken für Beteiligung
- Klarheit über Zuständigkeiten und Ansprechpartner-innen auf Seiten von Politik und Verwaltung
- Anerkennung des Engagements junger Menschen
- Transparenz bezüglich Gestaltungs- und Entscheidungsmacht
- Evaluation und Dokumentation des Beteiligungsprozesses
Die Einbindung junger Menschen und ihrer Interessen in Entscheidungsprozesse muss ganzgrundlegend Bestandteil von Ablaufprozessen und Anspruch von Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sein. Darüber hinaus muss vor dem Beginn von expliziten Beteiligungsprozessen junger Menschen zu bestimmten – meist für junge Menschen als besonders lebensweltrelevant erachteten – Sachverhalten klar sein, welcher Anlass zum jeweiligen Prozess führt.
Bereits bei der Konzeption eines Beteiligungsprozesses sollte je nach Beteiligungsform und -methode nicht nur ein möglichst breites Spektrum von Entscheidungsträger-inne-n aus Politik und Verwaltung beteiligt sein, sondern auch junge Menschen, um so die Akzeptanz des Vorhabens zu erhöhen und zu einer Vernetzung mit allen relevanten Akteuer-inn-en vor Ort beizutragen. „Beteiligung darf nicht nur punktuell stattfinden (zum Beispiel allein über Modellprojekte). Sie muss auf der Ebene der Verwaltung und der politischen Institutionen nachhaltig und flächendeckend verankert und institutionalisiert werden. Die notwendigen Beteiligungsstrukturen müssen eng mit dem kommunalen Politik- und Verwaltungssystem verzahnt werden (im Sinne von Rechtsansprüchen durch Absicherung über kommunale Satzungen). Eine ausreichende Übertragung von Verantwortung und Kompetenzen auf Kinder und Jugendliche muss sichergestellt werden.”, führt Waldemar Stange aus. (http://www.bpb.de/apuz/32521/partizipation-von-kindern?p=all, Stand 27.10.2018).
In Hinsicht auf die zu beteiligenden Jugendlichen ist auf eine ausreichende Berücksichtigung der Diversität der Teilnehmenden zu achten. Aspekte sind hier das Milieu, die Kultur, die Herkunft und das Artikulationsvermögen sowie Gender- und Bildungsperspektiven.
Empfehlung an das Sozialministerium
Abschließend ist festzustellen, dass es generell notwendig ist, dass die Interessen junger Menschen bei allen politischen Entscheidungen, von denen sie betroffen sind, gehört werden und eine ernsthafte Auseinandersetzung damit stattfindet, die für Jugendliche transparent und nachvollziehbar ist.
Der Landesbeirat für Jugendarbeit empfiehlt dem Sozialministerium, sich dafür einzusetzen , dass:
• der Beschluss des Niedersächsischen Landtages zur Prüfung der Einführung eines Jugend-Checks unter Einbeziehung der Jugendverbände und weiterer Akteur-inn-e-n ernsthaft vorangetrieben wird.
- dass die Träger der Jugendarbeit in ihrer gesetzlichen Aufgabe als Interessenvertretung für die Belange junger Menschen auf allen politischen Ebenen gestärkt werden und keine parallelen, losgelösten Strukturen der Jugendbeteiligung aufgebaut werden.
- Jugendbeteiligung mit den verschiedensten Methoden (Zukunftswerkstätten, Jugendforen, Befragungen…) fester Bestandteil in der politischen Beratungskultur in Niedersachsen wird.
- mehrere Anlässe für den jugendgerechten Dialog zwischen jungen Menschen und Politiker-inne-n geschaffen werden und jugendgerechte Politikinformationen (z.B. im Internet, Publikationen) ausgebaut und bislang nur im Vorfeld von Wahlen geförderte Angebote verstetigt und kontinuierlich gefördert werden.
- das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) dahingehend zu ändern, dass die Interessenvertretung junger Menschen im Sinne des SGB VIII bei kommunalpolitischen Entscheidungen angemessen ausgeübt werden kann und entsprechend eine stärkere, wirksamere, gesetzlich verankerte Jugendbeteiligung im Sinne der oben genannten Qualitätskriterien im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verankert wird.
Beschlossen am 04.09.2019